Architekturkritik «Chance in der Not»

Architekturkritik «Chance in der Not»

Artikel publiziert in der Zeitschrift hochparterre. wettbewerbe 4/2015

› 2015, Artikel im Printmagazin von hochparterre.wettbewerbe 4/2015.

 

› Während eines viermonatigen Praktikums bei der Edition Hochparterre im Sommer 2015 konnte ich neben der Betreuung der Publikation «Grundrissfibel Schulbau» auch einen Bericht für «hochparterre. wettbewerbe» schreiben. Ich wurde von der Redaktion gebeten, den Wettbewerb «Kapuzinerkloster Wesemlin in Luzern» und das Siegerprojekt kritisch zu beleuchten.

 

Chance in der Not

Ein Kloster öffnet seine Mauern


Den Schweizer Kapuzinerbrüdern geht das Geld aus. Sollen sie das
Kloster Wesemlin in Luzern schliessen oder sind sie bereit für grosse Veränderungen? Die Kapuziner beschreiten neue Wege.

 

Warum entscheiden sich Kapuzinerbrüder, einen Teil ihres Grundstücks für einen fremdgenutzten Neubau herzugeben? Sie bauen nicht aus Freude, sondern aus Notwendigkeit. Denn den Schweizer Klöstern fehlt der Nachwuchs, auch dem vor 430 Jahren gegründeten Kloster Wesemlin. Vor 50 Jahren lebten hier etwa sechzig Brüder, heute sind es noch knapp fünfzehn — im Schnitt 75 Jahre alt.

 

Bruder in Betriebswirtschaft
Als sich eine Sanierung des Klosters aufdrängte, stand das grosse Kloster halbleer inmitten der Stadt, und es fehlte das Geld. Die Brüder starteten eine Spendenkampagne und innert weniger Jahre haben die fleissigen Brüder das Kloster wirtschaftlich abgesichert. Erich Leuthold von Tripol Architekten sanierte das Kloster und baute den Südtrakt für Fremdnutzungen um. Entstanden sind eine Arztpraxis und zwölf Wohnstudios. Die Studios, so ist im Klosterprospekt zu lesen, sind für Menschen, die klosternahes Wohnen suchen, Menschen, die nicht zwingend ein Leben nach religiösen Regeln leben müssen, die aber spirituell interessiert sind.

 

Im Vergleich zu vielen anderen Klöstern, die ihre Türen geschlossen haben, überraschen die Luzerner Kapuziner mit ihrem starken Willen. Selbst bei der Stadt Luzern setzten sie sich durch, als diese für die Umzonung des Klosterareals eine Pflicht zum offenen Wettbewerb forderte. Man einigte sich auf ein Einladungsverfahren. Im Neubau sind neben 30 Wohnungen auch zwei Grosswohnungen für Pflegebedürftige vorgesehen. Hier, so die Absicht der Kapuziner, werde es die grösste Synergie geben, wenn kranke Menschen vom seelsorgerischen Dienst der Brüder profitieren möchten. Zwischen Kloster und den Nutzern des Neubaus wird es sonst nicht zwingend eine Verbindung geben.

 

Seltsames Verfahren
Ganz in franziskanischer Tradition wollen die Brüder den Klostergarten für die Öffentlichkeit zugänglich machen. Für die Umgestaltung des Gartens hätten sie am liebsten einen eigenen Wettbewerb veranstaltet. Aus Spargründen legte man dann allerdings die zwei Wettbewerbe zusammen. So mussten die eingeladenen Architekten ein Team mit Landschaftsarchitekten bilden. Die Jury hatte sich vorbehalten, die Preise für Neubau und Garten unabhängig voneinander zu vergeben. Das ungewöhnliche Verfahren führte dazu, dass die Jury die Teams unterschiedlich bewertete, obwohl sie die Projekte miteinander entwickelt hatten. Sei es aus Zufall oder aus Einsicht, die Jury wählte die zwei Sieger aus dem gleichen Team.

 

Schnörkellos
Die Landschaftsarchitekten Appert Zwahlen haben den Kapuzinern gut zugehört, als diese ihre klaren Vorstellungen zum neuen Garten äusserten. Schnörkellos haben sie das Gewünschte umgesetzt und die Brüder damit erfreut. Ohne Schnörkel überzeugte auch der fein gegliederte Holzbau vom Büro Marques. Die Architekten setzen den sechsgeschossigen, quadratischen Solitär in den entferntesten Bereich des Perimeters und unterstreichen mit dieser Setzung im neuen Wäldchen und der Materialisierung in Holz die Zugehörigkeit zum weltlichen Teil der Anlage. Aus dem Kloster kommt auch Kritik. Ein Ziel war es, den Neubau später erweitern zu können. Trotz kleinem Fussabdruck lässt das Siegerprojekt wenig Spiel für eine Erweiterung. Und doch überwiegt bei den Brüdern die Anerkennung der architektonischen Qualität des bald höchsten Gebäudes im Viertel. Verglichen mit den anderen Abgaben ist dasjenige von Marques schlicht und einfach das schönste. Wenn die Kapuziner bauen, dann richtig.

› 2015, Artikel im Printmagazin von hochparterre.wettbewerbe 4/2015.

 

› Während eines viermonatigen Praktikums bei der Edition Hochparterre im Sommer 2015 konnte ich neben der Betreuung der Publikation «Grundrissfibel Schulbau» auch einen Bericht für «hochparterre. wettbewerbe» schreiben. Ich wurde von der Redaktion gebeten, den Wettbewerb «Kapuzinerkloster Wesemlin in Luzern» und das Siegerprojekt kritisch zu beleuchten.