Sekundarschulhaus im Isengrind in Zürich, Affoltern

Sekundarschulhaus im Isengrind in Zürich, Affoltern

Architecture competition Isengrind © Bruno Fioretti Marquez
© Bruno Fioretti Marquez

› 2020, Erläuterungsbericht zum Architekturwettbewerb für Bruno Fioretti Marquez.

 

› Im Herbst 2020 baten mich die Architekten von Bruno Fioretti Marquez um textliche Unterstützung für den Erläuterungsbericht zum Wettbewerb für ein Sekundarschulgebäude in Affoltern. In Zusammenarbeit mit den Architekten und den Fachplanern verfasste ich einen Bericht von rund 9’200 Zeichen, der mit klassischen Untertiteln gegliedert ist.

Leitidee

Schulbauten haben in den letzten Jahren einen grossen Wandel erfahren. Die aktuelle Corona-Krise zeigt, dass die Entwicklung von Schulhäusern schwer vorauszusagen ist. Umso wichtiger erscheint es, das Schulhaus möglichst flexibel und polyvalent nutzbar zu gestalten.

 

Für das Projekt ALOSI steht ein pragmatisches, funktionales und übersichtliches Struktur- und Raumkonzept im Vordergrund, das zugleich räumliche Vielfalt und Flexibilität verspricht. Die klare architektonische Formulierung ist Ausdruck der internen, am Nutzen orientierten Gebäudeorganisation.

 

Städtebau

Innerhalb des durchgrünten Wohnquartiers von Unteraffoltern tritt das neue Schulhaus als eigenständiger, ruhig wirkender öffentlicher Bau in Erscheinung. Eine allseitige Orientierung erlaubt einen starken Bezug zur Umgebung. Als kompakter, dreigeschossiger Solitär ermöglicht die Setzung am südwestlichen Rand des Geländes – parallel zur Quartierstrasse Im Isengrind – rückwärtig geschützte Freiräume für die Primar- und Sekundarschule und sichert die notwendigen Aussenräume. Der offen gestaltete Aussenbereich mit freiem Blick auf das dreigeschossige Primarschulgebäude, die Wegverbindungen und der ebenfalls dreistöckige, horizontal betonte Neubau vermitteln den Eindruck einer Gesamtanlage. Ein weiterer Bezug zum Bestand wird durch die Materialisierung hergestellt, die sich an den bestehenden Kindergarten anlehnt.

 

Die vorhandene Topographie wird genutzt, um einen Niveausprung zwischen dem Erdgeschossniveau und dem ein Stockwerk tiefer gelegenen Aussensportplatz zu erreichen. Der eingeschossige Versprung ermöglicht die natürliche Beleuchtung der unterirdischen Doppelsporthalle und zugleich den direkten Austritt auf das Aussensportfeld sowie eine separate Erschliessung der Sportanlage. Das abgesenkte Aussenspielfeld wird an der Nordseite durch Sitzstufen begrenzt, so dass Primar- und Sekundarschüler sich hier austauschen können. Der Zugang zum Pausenbereich befindet sich auf Erdgeschossebene.

 

Die Haupterschliessung des Sekundarschulhauses Im Isengrind erfolgt über die gleichnamige Strasse, über die auch die gemeinsame Zufahrt zur Parkierung und Anlieferung auf der Ostseite des Gebäudes geführt wird. Darüber hinaus liegt die Schule an den angrenzenden Velo- und Fussgängerwegen, von denen aus die fürs Quartier nutzbaren Aussenflächen sowie die Velo-Abstellplätze der Schule gut ersichtlich sind. An der südwestlichen Längsseite des Gebäudes, die der Strasse Im Isengrind folgt, befindet sich der etwas erhöhte Haupteingang, der über eine Rampe oder Treppenstufen zugänglich ist.

 

Fassadengestaltung und Materialisierung

Die Materialisierung und Gestalt der Schulanlage werden schlicht und elegant gehalten, das kompakte Volumen einheitlich und allseitig gleich gestaltet. Das Gebäude besteht aus einem Sockelbau in Beton, auf dem ein dreigeschossiger Holzbau ruht. Die horizontalen Bandfenster betonen den liegenden Baukörper und verleihen der Schule einen zeitgemässen architektonischen Ausdruck. Hinter dem oberen Fassadenraster verbergen sich die Unterrichtsgeschosse. Der Betonsockel, der hauptsächlich vom nordöstlichen Aussensportplatz aus sichtbar ist, enthält die Doppelsporthalle. Ein aufgefaltetes Satteldach, das dem inneren Raster folgt, bringt die nötige Bewegung in die Fassade.

 

Holz bestimmt die Schule nicht nur von aussen, sondern auch konstruktiv und atmosphärisch. Die Holzbauteile bleiben alle im Inneren sichtbar und zeigen den konstruktiven Aufbau. Gut belichtete, warme Räume prägen das Innere.

 

Raumorganisation

Die unterschiedlichen Nutzungen stapeln sich übersichtlich übereinander: die öffentlichen Nutzungen wie Mensa mit Mehrzwecksaal, Musikräume und der gebäudeinterne Zugang zur Sporthalle befinden sich im Erdgeschoss. Zwei Treppenanlagen mit Aufzug führen die Benutzer entweder in die drei darüber liegenden Unterrichtsgeschosse oder in den unterirdisch angeordneten Sportbereich. Die Geschosse sind durchgehend in drei parallele Schichten zoniert: Im Mittelbereich befindet sich die grosszügige Erschliessungsstruktur, zur Strassenseite der schmalere Streifen, der pro Geschoss unterschiedlich genutzt wird und in Richtung des bestehenden Primarschulhauses die breitere Geschossfläche, deren tiefe Raumsequenz in den Obergeschossen von einem Lichthof und im Erdgeschoss von Oblichtern mit ausreichend Tageslicht versorgt wird. Die an den Fassaden liegenden Treppenhäuser sind ebenfalls natürlich beleuchtet.

 

Die Nutzungen im Erdgeschoss bieten einen belebten Bereich zwischen Schulalltag und Freizeit. Die offene Raumkonstellation der gemeinschaftlichen Räume der Verpflegung, des Aufenthaltes und der Mehrzwecksaal lassen sich durch die einfache Skelettstruktur ohne tragende Trennwände gut zusammenschalten und erlauben eine hohe räumliche Flexibilität und vielfache Nutzungen. Die überdeckte Aufenthaltsfläche im Aussenraum zur Westfassade kann als Erweiterung der Gemeinschaftsbereiche genutzt werden. Die Schülerinnen und Schüler können hier eine Pause machen, ihr Mittagessen geniessen oder beobachten, was auf dem ebenerdigen Pausenplatz passiert. Ein reibungsloser Ablauf der ausserschulischen Aktivitäten wird durch die mögliche Trennung und individuelle Nutzung der Räume im Erd- und Untergeschoss gewährleistet.

 

Aus dem Schnitt heraus entwickelt, erscheint die grösstenteils versenkte, von Norden belichtete Turnhalle als geschosshoher Sockel. Ein externer Zugang im Sockel ermöglicht den Eintritt in den Sportbereich über die Galerie im ersten Untergeschoss, von wo aus man in die Doppelturnhalle hinunterblicken kann. Die visuelle Einsicht kann durch Verschattungselemente im Innen- und Aussenbereich bei Bedarf auch unterbunden werden.

 

Die regulären Schulklassenräume im ersten bis dritten Stock bilden zusammen mit den Gruppen-, Betreuungs- und Therapieräumen klare Doppelcluster. Je drei Klassen mit dazwischen geschalteten Gruppenräumen teilen sich einen gemeinsamen, grossen Vorraum. Die daraus resultierende Raumkonstellation verspricht eine fördernde Lernlandschaft. Während die offene Zone innerhalb des Clusters vielfältige Sichtbezüge zulässt, erhalten alle Unterrichtsräume einen Aussenbezug. Durch den zentral gelegenen Lichthof gelangt zusätzliches Tageslicht in die Klassenräume, in die Erschliessungszone und in den Mittelbereich für die Bibliothek, die Verwaltungsräume und die Kombinationswerkstatt. Die längs ausgerichteten, mittig gelegenen Klassenräume profitieren so von einer zweiseitigen Beleuchtung. Zudem schafft die Begrünung der Innenfassade des Atriums eine freundliche Atmosphäre im Gebäude.

 

Energie- und Haustechnik

Die unter- und oberirdische Kompaktheit des Neubaus und der Leichtbau in den Obergeschossen helfen, den hohen Zielwerten der Nachhaltigkeit zu entsprechen. Das Tragwerkskonzept gewährleistet die konsequente Trennung von Primär- und Sekundärstruktur.

 

Durch die Verwendung natürlicher Materialien, guten Fenstergläsern und einem aussenliegenden Sonnenschutz mit intelligenter Steuerung wird selbst im Hochsommer ein komfortables Raumklima geschaffen. Entsprechend den Anforderungen von «eco-devis» werden ökologisch verträgliche und wirtschaftlich tragbare Baustoffen eingesetzt. Um den Minergie-P-Standard zu erreichen, wird eine Solarstromanlage vorgesehen.

Die Wärmeabgabe erfolgt generell über die Fussbodenheizung. In den grossen Räumen wird der Aufheizbetrieb zusätzlich mit der Lüftung unterstützt. Die Fussbodenheizung eignet sich auch zur leichten Kühlung der Räumlichkeiten über ein Kühl- und Heizsystem. Auf eine aktive Kühlung soll wo immer möglich vermieden werden. Falls eine Kühlung notwendig würde, kann der Energieverbund eine begrenze Kühlleistung (freecooling) zur Verfügung stellen.

 

Um kurze Luftverteilsysteme mit Zuluft-Überströmer zu ermöglichen, werden die Lüftungsanlagen zentral angeordnet. Die aktiven Zuluft-Überströmer werden als mechanische Belüftung der Schulzimmer vorgeschlagen. Die Zuluft wird dabei zentral in der Erschliessungsfigur des Clusters eingeblasen. Kleine Ventilatoren saugen die frische Luft aus dem Erschliessungsbereich und versorgen damit die Schulzimmer. Die verbrauchte Luft wird im Schulzimmer abgesaugt und über ein Abluftsystem in die Lüftungszentrale zurückgeleitet. Dadurch kann der technische Aufwand und der Platzbedarf für die Luftverteilung deutlich reduziert werden. Auch die Geschosshöhen können anhand dieses Systems optimiert werden. Zudem bietet der Lichthof gute Voraussetzungen für eine natürliche Querlüftung. Räume mit speziellen Anforderungen oder mit grossen Luftmengen sind an der Südfassade gruppiert und werden direkt mit Zu- und Abluft versorgt. Die Aussenluft wird über die Fassade angesaugt und die Fortluft wird über Dach ausgeblasen.

 

Brandschutz

Für den baulichen Brandschutz ist das Gebäude in die mittlere Höhenklasse einzustufen. Die Entfluchtung erfolgt über zwei Treppenhäuser, wobei die maximale Fluchtlänge von 35 Metern pro Geschoss gewährleistet ist. Die Doppelturnhalle mit offener Galerieebene und die dazugehörigen Räume bilden einen gemeinsamen Brandabschnitt. Auch die Nutzungseinheit von Küche und Mensa sowie die Gesamtheit der Obergeschosse und der Lichthof bilden jeweils einen eigenen Brandabschnitt. Der Feuerwehrzugang kann über eine lange Fassade realisiert werden.

› 2020, Erläuterungsbericht zum Architekturwettbewerb für Bruno Fioretti Marquez.

 

› Im Herbst 2020 baten mich die Architekten von Bruno Fioretti Marquez um textliche Unterstützung für den Erläuterungsbericht zum Wettbewerb für ein Sekundarschulgebäude in Affoltern. In Zusammenarbeit mit den Architekten und den Fachplanern verfasste ich einen Bericht von rund 9’200 Zeichen, der mit klassischen Untertiteln gegliedert ist.

© Bruno Fioretti Marquez